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Gedruckt nachzulesen in: Wladimir Iljitsch
Lenin: Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus
beim ZK der SED.
Band 22, 3. Auflage, unveränderter
Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 189-309.
Erstellt
am 20.02.1999.
2. Korrektur 29.10.2000
|304| Wir haben gesehen, daß der Imperialismus seinem ökonomischen Wesen nach Monopolkapitalismus ist. Schon dadurch ist der historische Platz des Imperialismus bestimmt, denn das Monopol, das auf dem Boden der freien Konkurrenz und eben aus der freien Konkurrenz erwächst, bedeutet den Übergang von der kapitalistischen zu einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation. Es sind insbesondere vier Hauptarten der Monopole oder Haupterscheinungsformen des Monopolkapitalismus hervorzuheben, die für die in Betracht kommende Epoche charakteristisch sind.
Erstens: Das Monopol ist aus der Konzentration der Produktion auf einer sehr hohen Stute ihrer Entwicklung erwachsen. Das sind die Monopolverbände der Kapitalisten, die Kartelle. Syndikate und Trusts. Wir sahen, welch gewaltige Rolle sie im heutigen Wirtschaftsleben spielen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewannen sie in den fortgeschrittenen Ländern das völlige Übergewicht, und wenn die ersten Schritte auf dem Wege der Kartellierung zuerst von Ländern mit hohen Schutzzöllen (Deutschland, Amerika) getan wurden, so hat England mit seinem Freihandelssystem nur wenig später dieselbe grundlegende Tatsache aufzuweisen: die Entstehung der Monopole aus der Konzentration der Produktion.
Zweitens: Die Monopole haben in verstärktem Maße zur Besitzergreifung der wichtigsten Rohstoffquellen geführt, besonders in der ausschlaggebenden und am meisten kartellierten Industrie der kapitalistischen Gesellschaft: der Kohlen- und Eisenindustrie. Die monopolistische Beherrschung der wichtigsten Rohstoffquellen hat die Macht des Großkapitals ungeheuer gesteigert und den Gegensatz zwischen der kartellierten und nichtkartellierten Industrie verschärft.
Drittens: Das Monopol ist aus den Banken erwachsen. Diese haben
sich aus bescheidenen Vermittlungsunternehmungen zu Monopolisten
des Finanzkapitals gewandelt. Drei bis fünf Großbanken
einer beliebigen der kapitalistisch fortgeschrittensten Nationen
haben zwischen Industrie- und Bankkapital eine "Personalunion" hergestellt
und in ihrer Hand die Verfügungsgewalt über Milliarden
und aber Milliarden konzentriert, die den
Viertens: Das Monopol ist aus der Kolonialpolitik erwachsen. Den zahlreichen "alten" Motiven der Kolonialpolitik fügte das Finanzkapital noch den Kampf um Rohstoffquellen hinzu, um Kapitalexport, um "Einflußsphären" d.h. um Sphären für gewinnbringende Geschäfte, Konzessionen, Monopolprofite usw. - und schließlich um das Wirtschaftsgebiet überhaupt. Als z. B. die europäischen Mächte mit ihren Kolonien erst den zehnten Teil von Afrika besetzt hatten, wie es noch 1876 der Fall war, da konnte sich die Kolonialpolitik auf nichtmonopolistische Weise entfalten, in der Art einer sozusagen "freibeuterischen" Besetzung des Landes. Als aber neun Zehntel Afrikas bereits besetzt waren (gegen 1900), als die ganze Welt verteilt war, da begann unvermeidlich die Ära des monopolistischen Kolonialbesitzes und folglich auch eines besonders verschärften Kampfes um die Aufteilung und Neuaufteilung der Welt.
Wie sehr der monopolistische Kapitalismus alle Widersprüche des Kapitalismus verschärft hat, ist allgemein bekannt. Es genügt, auf die Teuerung und auf den Druck der Kartelle hinzuweisen. Diese Verschärfung der Gegensätze ist die mächtigste Triebkraft der geschichtlichen Übergangsperiode, die mit dem endgültigen Sieg des internationalen Finanzkapitals ihren Anfang genommen hat.
Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach
Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren
Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche
oder mächtige Nationen - all das erzeugte jene Merkmale
des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder
in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu kennzeichnen. Immer
plastischer tritt als eine Tendenz des Imperialismus die Bildung
des "Rentnerstaates", des Wucherstaates hervor, dessen Bourgeoisie
in steigendem Maße von Kapitalexport und "Kuponschneiden"
lebt. Es wäre ein Fehler, zu glauben, daß diese
Fäulnistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus ausschließt;
durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne Schichten der
Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche des
Imperialismus mehr oder minder stark bald die
über die Schnelligkeit der ökonomischen Entwicklung
Deutschlands sagt Riesser, der Verfasser des Werkes über
die deutschen Großbanken: "Der nicht gerade langsame Fortschritt
der vorigen Epoche (1848-1870) verhält sich zu der Schnelligkeit,
mit der Deutschlands Gesamtwirtschaft und mit ihr das deutsche Bankwesen
in dieser Periode (1870-1905) vorwärtskam, etwa so, wie
das Tempo der Postkutsche des Heiligen Römischen Reiches Deutscher
Nation zu dem Fluge des heutigen Automobils, dessen ... Dahinsausen
allerdings auch manchmal sowohl den harmlos dahinziehenden Fußgänger
wie die Insassen selbst gefährdet." Seinerseits hätte
dieses ungewöhnlich schnell gewachsene Finanzkapital gerade
deshalb, weil es so schnell gewachsen ist, nichts dagegen, zu einem
"ruhigeren" Besitz der Kolonien überzugehen, die den reicheren
Nationen, und zwar nicht nur mit friedlichen Mitteln, entrissen
werden können. In den Vereinigten Staaten ging die ökonomische
Entwicklung in den letzten Jahrzehnten noch rascher vor sich als
in Deutschland, und gerade
Dadurch, daß die Kapitalisten eines Industriezweiges
unter vielen anderen oder eines Landes unter vielen anderen usw.
hohe Monopolprofite herausschlagen, bekommen sie ökonomisch
die Möglichkeit, einzelne Schichten der Arbeiter, vorübergehend
sogar eine ziemlich bedeutende Minderheit der Arbeiter zu bestechen
und sie auf die Seite der Bourgeoisie des betreffenden Industriezweiges
oder der betreffenden Nation gegen alle übrigen hinüberzuziehen.
Diese Tendenz wird durch den verschärften Antagonismus
zwischen den impe-
Aus allem, was über das ökonomische Wesen des Imperialismus gesagt wurde, geht hervor, daß er charakterisiert werden muß als Übergangskapitalismus oder, richtiger, als sterbender Kapitalismus. Höchst aufschlußreich ist in dieser Hinsicht, daß die Schlagworte der bürgerlichen Ökonomen, die den jüngsten Kapitalismus beschreiben, "Verflechtung", "Fehlen der Isoliertheit" usw. heißen; die Banken seien "Unternehmungen, die nach ihren Aufgaben und nach ihrer Entwicklung nicht einen rein privatwirtschaftlichen Charakter haben und die immer mehr aus der Sphäre der rein privatrechtlichen Regelung herauswachsen". Und derselbe Riesser, von dem diese Worte stammen, erklärt mit todernster Miene, daß sich die "Voraussage" der Marxisten über die "Vergesellschaftung" "nicht verwirklicht" habe!
Schulze-Gaevernitz, ein begeisterter Anhänger des deutschen Imperialismus, ruft aus:
"Ist die letzte Leitung der deutschen Bankwelt einem Dutzend
von Männern anvertraut, so ist deren Tätigkeit
schon heute für das Volkswohl bedeutsamer als die der meisten
Staatsminister" (die "Verflechtung"
Man muß schon sagen: Eine schöne "Widerlegung" von Marx, die einen Schritt rückwärts macht von der exakten wissenschaftlichen Analyse Marx' zur Vorahnung Saint-Simons, die zwar genial, aber doch nur eine Vorahnung war.
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