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Gedruckt nachzulesen in: Wladimir Iljitsch
Lenin: Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus
beim ZK der SED.
Band 22, 3. Auflage, unveränderter
Nachdruck der 1. Auflage 1960, Berlin/DDR. S. 189-309.
Erstellt
am 20.02.1999.
2. Korrektur 29.10.2000
Die grundlegende und ursprüngliche Operation der Banken ist die Zahlungsvermittlung. Im Zusammenhang damit verwandeln die Banken brachliegendes Geldkapital in funktionierendes, d.h. profitbringendes Kapital, sie sammeln alle und jegliche Geldeinkünfte und stellen sie der Kapitalistenklasse zur Verfügung.
In dem Maße, wie sich das Bankwesen und seine Konzentration in wenigen Institutionen entwickeln, wachsen die Banken aus bescheidenen Vermittlern zu allmächtigen Monopolinhabern an, die fast über das gesamte Geldkapital aller Kapitalisten und Kleinunternehmer sowie über den größten Teil der Produktionsmittel und Rohstoffquellen des betreffenden Landes oder einer ganzen Reihe von Ländern verfügen. Diese Verwandlung zahlreicher bescheidener Vermittler in ein Häuflein Monopolisten bildet einen der Grundprozesse des Hinüberwachsens des Kapitalismus in den kapitalistischen Imperialismus, und deshalb müssen wir in erster Linie bei der Konzentration des Bankwesens verweilen.
Im Jahre 1907/08 betrugen die Einlagen aller Aktienbanken Deutschlands, die über
ein Kapital von mehr als je 1 Million Mark verfügten, 7
Milliarden Mark; 1912/13 bereits 9,8 Milliarden. Das ergibt eine
Zunahme um 40% in fünf Jahren, wobei von diesen 2,8 Milliarden
Zunahme 2,75 Milliarden auf 57 Banken entfallen, deren jede über
ein Kapital von mehr als 10 Millionen Mark verfügte. Die
Einlagen verteilten sich auf die Groß- und Kleinbanken
wie folgt (22):
Die Kleinbanken sind von den Großbanken verdrängt, von denen allein neun fast die Hälfte aller Einlagen bei sich konzentrieren. Dabei ist aber noch sehr vieles außer acht gelassen, z B. die Verwandlung einer ganzen Reihe von Kleinbanken in faktische Zweigstellen der Großbanken usw., wovon weiter unten die Rede sein wird.
Die Einlagen bei den 9 Berliner Großbanken schätzte
Schulze-Gaevernitz Ende 1913 auf 5,4 Milliarden Mark von insgesamt
rund 10 Milliarden Mark. Im Hinblick nicht allein auf die Einlagen,
sondern auf das gesamte Bankkapital schrieb derselbe Autor: "Die
9 Berliner Großbanken
Wir haben den Hinweis auf die "angegliederten" Banken hervorgehoben, denn
das gehört zu einem der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale
der modernen kapitalistischen Konzentration. Die großen
Unternehmungen, besonders die Banken, verschlingen nicht nur unmittelbar
die kleinen, sondern "gliedern" sie sich an, unterwerfen sie, schließen
sie in "ihre" Gruppe, ihren "Konzern" - wie der technische Ausdruck
lautet - ein durch "Beteiligung" an ihrem Kapital, durch Aufkauf
oder Austausch von Aktien, durch ein System von Schuldverhältnissen
usw. usf. Professor Liefmann hat ein ganzes großes "Werk"
von beinahe einem halben Tausend Seiten der Beschreibung der modernen
"Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften" (24)
Die "Gruppe" der "Deutschen Bank" ist eine der größten, wenn nicht die größte, von allen Gruppen der Großbanken. Um die wichtigsten Fäden, die alle Banken dieser Gruppe miteinander verbinden, in Betracht zu ziehen, muß man "Beteiligungen" ersten, zweiten und dritten Grades unterscheiden oder, was dasselbe ist, eine Abhängigkeit (der kleineren Banken von der "Deutschen Bank") ersten, zweiten und dritten Grades.
Es ergibt sich folgendes Bild (25):
Abhängigkeit ersten Grades | Abhängigkeit zweiten Grades | Abhängigkeit dritten Grades | ||
Die "Deutsche Bank" ist beteiligt | dauernd | an 17 Banken | davon 9 an 34 | davon 4 an 7 |
auf unbekannte Dauer | an 5 Banken | - | - | |
mit wechselnder Intensität | an 8 Banken | davon 5 an 14 | davon 2 an 2 | |
Zusammen | an 30 Banken | davon 14 an 48 | davon 6 an 9 |
Zu den 8 Banken des "ersten Abhängigkeitsgrades", die sich die "Deutsche Bank" "mit wechselndem Interesse" untergeordnet hat, gehören drei ausländische Banken: eine österreichische (der "Wiener Bankverein") und zwei russische (die Sibirische Handelsbank und die Russische Bank für auswärtigen Handel). Im ganzen gehören zur Gruppe der "Deutschen Bank" direkt und indirekt, ganz und teilweise 87 Banken, und der Gesamtbetrag des eigenen und fremden Kapitals, über das die Gruppe verfügt, beläuft sich auf 2-3 Milliarden Mark.
Es ist klar, daß eine Bank, die an der Spitze einer solchen Gruppe steht und mit einem halben Dutzend anderer ihr wenig nachstehender Banken zum Zwecke besonders großer und vorteilhafter Finanzoperationen, wie z B. Staatsanleihen, eine Verbindung eingeht, bereits über die bloße "Vermittler"rolle hinausgewachsen ist und sich in eine Vereinigung eines Häufleins von Monopolisten verwandelt hat.
Wir sehen, wie schnell ein dichtes Netz von Kanälen entsteht, die das ganze Land überziehen, sämtliche Kapitalien und Geldeinkünfte zentralisieren und Tausende und aber Tausende von zersplitterten Wirtschaften in eine einzige gesamtnationale kapitalistische Wirtschaft und schließlich in die kapitalistische Weltwirtschaft verwandeln. Jene "Dezentralisation", von der Schulze-Gaevernitz als Vertreter der bürgerlichen politischen Ökonomie unserer Tage in dem oben angeführten Zitat spricht, besteht in Wirklichkeit darin, daß zunehmend immer mehr früher verhältnismäßig "selbständige" oder, richtiger gesagt, lokal begrenzte Wirtschaftseinheiten einem einzigen Zentrum unterworfen werden. In Wirklichkeit ist das also eine Zentralisation, eine Steigerung der Rolle, der Bedeutung, der Macht der Monopolriesen.
In den älteren kapitalistischen Ländern ist dieses "Banknetz" noch dichter. In England einschließlich Irland belief sich 1910 die Zahl der Niederlassungen aller Banken auf 7.151. Vier Großbanken hatten je über 400 Filialen (von 447 bis 669), weitere 4 je über 200 und 11 je über 100.
In Frankreich entwickelten
Bei der Pariser Großbank "Crédit Lyonnais"
stieg die Zahl der Konten von 28.535 im Jahre 1875 auf 633.539 im
Jahre 1912.(27)
Diese einfachen Zahlen zeigen wohl anschaulicher als langatmige
Betrachtungen, wie sich mit der Konzentration des Kapitals und dem Wachstum
des Umsatzes die Bedeutung der Banken von Grund aus ändert.
Aus den zersplitterten Kapitalisten entsteht ein einziger kollektiver Kapitalist.
Die Bank, die das Kontokorrent für bestimmte Kapitalisten führt, übt
scheinbar eine rein technische, eine bloße Hilfsoperation
aus. Sobald aber diese Operation Riesendimensionen annimmt, zeigt
sich, daß eine Handvoll Monopolisten sich die Handels und
Industrieoperationen der ganzen kapitalistischen Gesellschaft unterwirft,
indem sie - durch die Bankverbindungen, Kontokorrente und andere
Finanzoperationen - die Möglichkeit erhält, sich
zunächst über die Geschäftslage der einzelnen
Kapitalisten
Wir erwähnten soeben das Dreihundertmillionenkapital
der Berliner "Disconto-Gesellschaft". Diese Kapitalerhöhung
der "Disconto-Gesellschaft" war eine der Episoden im Kampf um die
Hegemonie zwischen den beiden größten Berliner
Banken, der "Deutschen Bank" und der "Dis-
"Weitere Banken werden auf dem beschrittenen Wege nachfolgen", schrieb
die deutsche Zeitschrift "Die Bank" anläßlich
der Kapitalerhöhung der "Disconto-Gesellschaft" auf 300
Mill. Mark, "... und aus den 300 Personen, die heute Deutschland
wirtschaftlich regieren, werden mit der Zeit 50, 25 oder noch weniger
werden. Es ist auch nicht zu erwarten, daß die neueste
Konzentrationsbewegung sich auf das Bankwesen beschränken wird.
Die engeren Beziehungen zwischen einzelnen Banken führen
naturgemäß auch eine Annäherung zwischen
den von ihnen patronisierten Industriekonzernen herbei ... und eines
Tages werden wir aufwachen und uns die Augen reiben: Neben uns lauter
Trusts, vor uns die Notwendigkeit, die Privatmonopole durch Staatsmonopole
abzulösen. Und doch haben wir uns im Grunde nichts anderes
vorzuwerfen, als daß wir der Entwicklung der Dinge ihren
freien, durch die Aktie ein wenig beschleunigten Gang gelassen haben."(28)
Das ist ein Musterbeispiel für die Hilflosigkeit der
bürgerlichen Publizistik, von der sich die bürgerliche
Wissenschaft nur durch einen geringeren Grad von Aufrichtigkeit
und durch das Bestreben unterscheidet, das Wesen der Dinge zu vertuschen,
den Wald durch Bäume zu verdecken. Man "reibt sich die
Augen", bestürzt über die Folgen der Konzentration,
man macht der Regierung des kapitalistischen Deutschlands oder der
kapitalistischen "Gesellschaft" ("uns") "Vorwürfe", man
fürch-
Aber Tatsachen bleiben Tatsachen. Deutschland kennt zwar keine
Trusts, sondern "nur" Kartelle, wird aber dennoch von höchstens
300 Kapitalmagnaten
Mit den Banken ist "die Form einer allgemeinen Buchführung
und Verteilung der Produktionsmittel auf gesellschaftlicher Stufenleiter
gegeben, aber auch nur die Form", schrieb Marx vor einem halben
Jahrhundert im "Kapital" (russ. Übersetzung Bd. III. Teil
II, S. 144 |Karl Marx, "Das Kapital", Bd. III, in: Karl
Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd.
25, S. 620|). Die von uns angeführten Daten über
das Wachstum des Bankkapitals, über die Zunahme der Zahl
der Filialen und Zweigstellen der Großbanken, der Zahl
ihrer Konten usw. zeigen uns konkret diese "allgemeine Buchführung"
der ganzen Klasse der Kapitalisten und sogar nicht nur der Kapitalisten
allein, denn die Banken sammeln, sei es auch nur vorübergehend, alle
möglichen Geldeinkünfte, sowohl der kleinen Unternehmer
als auch der Angestellten und einer winzigen Oberschicht der Arbeiter.
Eine "allgemeine Verteilung der Produktionsmittel" - das ist es,
was formal gesehen aus den modernen Banken
Bei der Vergesellschaftung der kapitalistischen Wirtschaft beginnen
mit den Banken die Sparkassen und Postanstalten zu konkurrieren,
die
Die Sparkassen, die für Einlagen 4 und 41/4%
zahlen, müssen eine "rentable" Anlagemöglichkeit
für ihre Kapitalien suchen, sich in Wechsel-, Hypotheken-
und andere Operationen einlassen. Die Grenzen zwischen Banken und
Sparkassen "verwischen sich immer mehr". Die Handelskammern von
Bochum und Erfurt z. B. verlangen, daß den Sparkassen
"reine" Bankoperationen wie die Diskontierung von Wechseln "verboten"
werden und daß die " "Bank"tätigkeit der Postämter
eingeschränkt wird.(31)
Die Ablösung des alten Kapitalismus mit der Herrschaft
der freien Konkurrenz durch den neuen Kapitalismus mit der Herrschaft
des Monopols findet unter anderem ihren Ausdruck in der sinkenden
Bedeutung
"'Jede Bank ist eine Börse' - ist ein Ausspruch, der
einen um so größeren Grad von Wahrheit enthält,
je größer die Bank ist und je mehr die Konzentration
im Bankgewerbe Fortschritte macht."(33)
Genauso macht es Riesser, ein Ökonom und "Bankmann"
mit noch größerer Autorität, der Tatsachen,
die sich nicht leugnen lassen, mit ein paar nichtssagenden Phrasen
abtut: "Daraus ergibt sich dann auch, daß die Börse
die für die Gesamtwirtschaft und den Wertpapierverkehr
unerläßliche Eigenschaft immer mehr verliert,
nicht nur das feinste Meßinstrument, sondern auch ein 'beinahe
automatisch wirkender Regulator der an ihr zusammenströmenden
wirtschaftlichen Bewegungen' zu sein."(35)
"Vor 30 Jahren verrichteten frei konkurrierende Unternehmer 9/10 derjenigen wirtschaftlichen
Arbeit, welche nicht als Handfertigkeit dem 'Arbeiter' zufiel. Heute
leisten
Unter den wenigen Banken die infolge des Konzentrationsprozesses
an der Spitze der gesamten kapitalistischen Wirtschaft übrigbleiben,
macht sich natürlich immer stärker das Bestreben
geltend, monopolistische Abmachungen miteinander zu treffen, einen
"Mit der fortschreitenden Konzentrationsbewegung engt sich der
Kreis, an den man mit den großen Kreditansprüchen
herantreten kann, ständig ein, so daß die Abhängigkeit
der Großindustrie von einigen wenigen Bankkonzernen zunimmt.
Bei den inneren Zusammenhängen zwischen Industrie und Finanz
wird die Bewegungsfreiheit der auf Bankkapital angewiesenen Industriegesellschaften
eingeschränkt. Deshalb begleitet die Großindustrie
die zunehmende Vertrustung der Banken mit gemischten Gefühlen;
zeigen sich doch schon mehrfach Ansätze zu gewis-
Das letzte Wort in der Entwicklung des Bankwesens ist immer wieder das Monopol.
Was den engen Zusammenhang zwischen Banken und Industrie betrifft, so tritt gerade hier die neue Rolle der Banken vielleicht am anschaulichsten zutage. Wenn die Bank die Wechsel irgendeines Unternehmers diskontiert, ihm ein Kontokorrent eröffnet usw., so vermindern diese Operationen, einzeln betrachtet, die Selbständigkeit dieses Unternehmers um keinen Deut, und die Bank bleibt in der bescheidenen Rolle eines Vermittlers. Sobald aber diese Operationen sich häufen und zu einer ständigen Einrichtung werden, sobald die Bank Kapitalien von ungeheuren Dimensionen in ihrer Hand "ansammelt", sobald die Führung des Kontokorrents eines Unternehmens die Bank in die Lage versetzt - und das ist ja der Fall -, die wirtschaftliche Lage ihres Kunden immer genauer und vollständiger kennenzulernen, ergibt sich eine immer vollständigere Abhängigkeit des Industriekapitalisten von der Bank.
Zugleich entwickelt sich sozusagen eine Personalunion der Banken
mit den größten Industrie- und Handelsunternehmungen,
eine beiderseitige Verschmelzung durch Aktienbesitz, durch Eintritt
der Bankdirektoren in die Aufsichtsräte (oder die Vorstände)
der Handels- und Industrieunternehmungen und umgekehrt. Der deutsche Ökonom
Jeidels hat über diese Art der Konzentration von Kapitalien
und Unternehmungen genaue Daten gesammelt. Die sechs größten
Berliner Banken waren durch ihre Direktoren in 344 Industriegesellschaften
und durch ihre Vorstandsmitglieder in weiteren 407, insgesamt also
in 751 Gesellschaften vertreten. In 289 Gesellschaften hatten sie
entweder je zwei Mitglieder im Aufsichtsrat oder den Posten des
Vorsitzenden. Unter diesen Handels- und Industriegesellschaften
finden wir die mannigfachsten Industriezweige, Versicherungswesen
wie Verkehrswesen, Restaurationsbetriebe, Theater, Kunstgewerbe
usw. Anderseits saßen (1910) in den Aufsichtsräten
dieser sechs Banken 51 Großindustrielle, darunter ein Direktor
von Krupp, einer der großen Schiffahrtsgesellschaft "Hapag"
(Hamburg-Amerika-Linie) usw. usf. Jede dieser sechs Banken hat von
1895 bis
Die "Personalunion" der Banken mit der Industrie findet ihre Ergänzung in der "Personalunion" der einen wie der anderen Gesellschaften mit der Regierung. Jeidels schreibt: "Freiwillig werden Aufsichtsratsstellen gewährt an Personen mit gutklingenden Namen, auch ehemaligen Staatsbeamten, die im Verkehr mit den Behörden manche Erleichterung (!!) schaffen können" ... "Im Aufsichtsrat einer Großbank sieht man gewöhnlich ... ein Parlamentsmitglied oder ein Mitglied der Berliner Stadtverwaltung".
Die Herausbildung und Weiterbildung der großkapitalistischen Monopole geht also auf "natürlichem" und "übernatürlichem" Wege mit Volldampf voraus. Es kommt systematisch eine gewisse Arbeitsteilung unter den paar hundert Finanzkönigen der modernen kapitalistischen Gesellschaft zustande.
"Dieser Erweiterung des Tätigkeitsgebiets einzelner
Großindustrieller" (die Vorstandsmitglieder der Banken
werden usw.) "und der Beschränkung von Provinzdirektoren
auf einen bestimmten Industriebezirk geht eine gewisse zunehmende
Spezialisierung der Leiter der Großbanken auf besondere
Geschäftszweige zur Seite. Sie ist erst denkbar bei großem
Umfang des gesamten Bankgeschäfts und der Industriebeziehungen
im besonderen. Diese Arbeitsteilung vollzieht sich in der doppelten
Richtung, daß der Verkehr mit der Industrie als Ganzes
einem der Direktoren als Spezialgebiet überwiesen wird
und daß daneben jeder Direktor einzelne isolierte oder
mehrere nach Gewerbe und Interessen verwandte Unternehmungen zur Überwachung
als Aufsichtsratsmitglied übernimmt" (der Kapitalismus
ist bereits zu einer organisierten
Einrichtungen gleicher Art, nur in etwas anderer Form, finden
wir auch im französischen Bankwesen. Eine der drei größten
Banken Frankreichs, der "Crédit Lyonnais", hat z. B.
ein besonderes "Finanzstudienbüro" (Service des études
financières) eingerichtet. Dort arbeiten ständig über
50 Personen - Ingenieure, Statistiker, Nationalökonomen,
Juristen usw. Die Kosten dieses Büros belaufen sich auf
sechs- bis siebenhunderttausend Francs jährlich. Es zerfällt
seinerseits in acht Abteilungen. Die eine sammelt Angaben speziell über
Industrieunternehmungen, die andere verfolgt die allgemeine Statistik,
die dritte studiert die Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsgesellschaften,
die vierte Wertpapiere, die fünfte Finanzberichte usw.(41)
Die Folge ist einerseits eine immer größere Verschmelzung oder, nach einem treffenden Ausdruck von N. I. Bucharin, ein Verwachsen des Bankkapitals mit dem Industriekapital, und anderseits ein Hinüberwachsen der Banken in Institutionen von wahrhaft "universalem Charakter". Wir halten es für notwendig, genau die Formulierungen von Jeidels über diese Frage anzuführen, der die Dinge am eingehendsten studiert hat:
Aus Handels- und Industriekreisen werden oft Klagen über
den "Terrorismus" der Banken laut. Es ist nicht verwunderlich, daß derartige
Klagen laut werden, wenn die Großbanken so "kommandieren",
wie folgendes Beispiel zeigt. Am 19. November 1904 wandte sich eine
der sogenannten Berliner
Im Grunde genommen sind das die alten Klagen des Kleinkapitals über den
Druck des Großkapitals, nur ist hier ein ganzes Syndikat
in die Ka-
Die Leiter der Großbanken selbst können sich nicht der Einsicht verschließen, daß neue Verhältnisse der Volkswirtschaft im Entstehen begriffen sind, aber sie stehen ihnen hilflos gegenüber:
"Wer den Personenwechsel in Direktion und Aufsichtsrat der Großbanken in
den letzten Jahren beobachtet hat", schreibt Jeidels, "mußte
merken, wie allmählich Personen ans Ruder kamen, die ein
aktives Eingreifen in die Gesamtentwicklung der Industrie für
die notwendige, immer aktueller werdende Aufgabe der Großbanken
halten, wie sich zwischen ihnen und den älteren Direktoren
der Banken daraus ein sachlicher und oft persönlicher Gegensatz
entwickelt. Es handelt sich bei diesem im Grunde darum, ob nicht
mit dem Hinübergreifen der Banken in den industriellen
Produktionsprozeß ihr Geschäft als Kreditinstitut
leidet, die soliden Grundsätze und der sichere Gewinn geopfert
werden zugunsten einer Tätigkeit, die mit der Kreditvermittlung
nichts zu tun habe und die Bank auf ein Gebiet führe, wo
sie dem blinden Walten industrieller Konjunktur noch mehr ausgesetzt
sei als bisher. Während viele der älteren Bankleiter
dies behaupten, sieht die Mehrzahl der jüngeren in dem
aktiven Eingreifen in die Fragen der Industrie dieselbe Notwendigkeit,
die mit der modernen großindustriellen Entwicklung die
Großbanken und das heutige industrielle Bankgeschäft
hervorgerufen hat. Nur darin sind sich beide Teile einig, daß feste
Grundsätze und ein konkretes Ziel für die neue
Tätigkeit der Großbanken noch nicht existieren.“(44)
Der alte Kapitalismus hat sich überlebt. Der neue ist
ein Übergang zu etwas anderem. "Feste Grundsätze
und ein konkretes Ziel" für die "Ver-
In welche Zeit fällt nun die endgültige Konsolidierung der "neuen Tätigkeit" der Großbanken? Auf diese wichtige Frage finden wir eine ziemlich genaue Antwort bei Jeidels:
"Die Industriebeziehungen mit ihrem neuen Gegenstand, ihren neuen Formen
und ihren neuen Organen, das ist den gleichzeitig zentralistisch und
dezentralistisch organisierten Großbanken, bilden sich
als charakteristische volkswirtschaftliche Erscheinungen kaum vor
den neunziger Jahren; in gewissem Sinne kann man diesen Anfangspunkt
sogar erst in das Jahr 1897 mit seinen großen Fusionen
welche die neue Form dezentralistischer Organisation erstmalig aus
Gründen industrieller Bankpolitik einführen, oder
man kann ihn vielleicht deshalb auf einen noch späteren Termin
verlegen, weil die Krise den Konzentrationsprozeß wie in
der Industrie so im Bankwesen enorm beschleunigt und verstärkt
und den Verkehr mit der Industrie erst recht zu einem Monopol der
Großbanken und ihn im einzelnen bedeutend enger und intensiver
gemacht hat."(45)
Das 20. Jahrhundert ist also der Wendepunkt vom alten zum neuen Kapitalismus, von der Herrschaft des Kapitals schlechthin zu der Herrschaft des Finanzkapitals.
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